22.03.2012

* Entschuldigen Sie mir bitte, dass ich erst jetzt schreibe.

Wer bei diesem Satz spürt, dass etwas nicht stimmt, beweist auf jeden Fall schon ein gewisses Gefühl für die deutsche Sprache. Wer den Fehler sofort erkennt und korrigieren kann, der braucht nicht weiterzulesen.
Es ist klar, bei dieser Äußerung 'scheint' die ungarische Sprache 'durch', ein typischer Fall für eine Übernahme aus der Muttersprache, ein Interferenzfehler. Richtig wäre: 'Entschuldigen Sie bitte, dass ich erst jetzt schreibe.' Das Personalpronomen im Dativ ist absolut überflüssig, und nicht nur das: Auch wenn man den Satz ohne weiteres verstehen kann, wirkt das 'mir' fehlerhaft und fremd. Entschuldigen kann man etwas, ein Fehlverhalten, einen Fehler (also eine Akkusativergänzung oder, wie im Beispiel, ein Objektsatz/dass-Satz). Und man kann jemanden entschuldigen: In der Praxis schreiben dann z.B. Eltern ihrem Kind einen Entschuldigungszettel für den Lehrer in der Schule. Interessanterweise kann man sich bei jemandem wegen eines Fehlverhaltens sogar selbst entschuldigen, was sehr praktisch scheint, denn vom Grunde her spricht man sich dann selbst von seiner Schuld frei. Aber daran denkt heute natürlich keiner mehr - ausgenommen Bastian Sick - , wenn er sich entschuldigt.
Im ungarischen 'megbocsát' geht es darum, jemanden aus der ihn bedrückenden Schuld zu entlassen. Interessant, dass das im Gegenwartsungarisch mit dem Dativ kombiniert wird, was dann im Gebrauch eher dem deutschen Verb 'verzeihen' entsprechen könnte. Laut etymologischem Wörterbuch bedeutet 'verzeihen' jemanden 'nicht anklagen', verwandt also mit 'nicht bezichtigen'. Trotzdem kann man im heutigen Sprachgebrauch jemandem etwas verzeihen, ihm also etwas nachsehen, über die Verfehlung hinwegsehen, womit wir bei einem Äquivalent für 'elnéz' gelandet sind. Stilistisch sind aber 'entschuldigen' und 'verzeihen' nicht in jedem Fall gleichwertig und austauschbar. Entschuldigen ist auf jeden Fall höflich-formell, beim 'um Verzeihung bitten' geht mancher innerlich vielleicht doch mehr auf die Knie bis hin zu einem dringlichen Flehen voller Reue. Dass es bei Google für 'verzeihen'  nicht einmal halb so viele Treffer gibt wie für 'entschuldigen' - darüber könnte man länger sinnieren. Ist es nur eine Frage der Gebrauchshäufigkeit oder geht uns 'Verzeihen' zu sehr an die Substanz?
Nach all dem kann ich mich jetzt bei Ihnen nur noch in aller Form für die Verwirrung entschuldigen, die obige Zeilen vielleicht bei Ihnen verursacht haben. Können Sie mir verzeihen?


Und hier ein weiterer schwerer Brocken:


* In unserer rennenden Welt ...


Na, erkennen Sie den Fehler? Wer sich nicht ganz sicher ist, kann gern den dazugehörigen Blogeintrag lesen.

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