15.03.2012

Aussprachetraining

Alle, die nicht zweisprachig aufgewachsen sind, müssen wohl der Tatsache ins Auge sehen, dass sie ihren fremden Akzent nicht so einfach loswerden können. Aber müssen sie das unbedingt? Natürlich nicht, jedoch ist es nicht unerheblich, wie ausgeprägt und dadurch vielleicht störend die phonetischen Abweichungen sind. Nicht nur ich habe die interessante Erfahrung gemacht, dass Gespräche unter ungarischen Muttersprachlern
von Deutschen, die das nicht verstehen, als sehr ausdrucksstarke, emotionsgeladene und heftige Diskussionen empfunden werden. Wiederum wirkt ein deutlich vom muttersprachlichen Muster geprägtes Deutsch von ungarischen DaF-Sprechern mitunter gefühlsarm und monoton. Ein Gegensatz, den die kontrastive Phonetik aber gut erklären kann.
Oft spürt man instinktiv, dass man seine Aussprache verbessern müsste. Nur wer sagt einem, woran es noch hapert? Meistens sind es nicht nur Probleme mit bestimmten Lauten, sondern vielfach solche mit der Betonung (Wort- und Satzakzent) und mit der Sprechmelodie (Intonation). Hier kommt man nur mit professioneller Hilfe weiter.
Als Sprachlehrer hatte ich in meiner Freude über eine gelungene, verständliche Äußerung eines Schülers nicht selten das Problem, dass ich phonetische Fehlleistungen gar nicht mehr so recht wahrgenommen habe. Oft sind mir individuelle Abweichungen von der Aussprachenorm erst bei im Unterrichtsalltag leider seltenen, längeren Schülermonologen, also z.B. bei Vorträgen aufgefallen. Aber auch da erfasst man nur einen Teil. Die Frage ist dann meist: Hört der Betreffende die fremden Laute und Intonationsverläufe eigentlich, nimmt er die Abweichungen von den ungarischen Mustern überhaupt wahr?
Wenn es um gute Aussprache geht, müsste das bewusste Hören sicher zuerst trainiert werden. Als nächstes braucht man unbedingt phonetische Grundkenntnisse. Leider habe ich diese Phasen selbst stark vernachlässigt, als ich anfing Ungarisch zu lernen, so dass man meinen fremden Akzent schnell wahrnimmt. Besonders beim Einkauf auf dem Markt erlebe ich das immer wieder als Nachteil.
Erst ein wunderbares Lehr- und Übungsbuch zum Aussprachetraining, SprechProbe, verfasst von Gunther Dietz und Krisztián Tronka, hat mir zumindest die 'Ohren' geöffnet, denn es ist speziell für ungarische DaF-Lerner konzipiert, kontrastiv angelegt und geht systematisch auf alle Probleme ein. Es gibt massenweise Übungen, wo man auch toll den Wortschatz erweitern kann, und natürlich gibt es dazu eine Audio-CD. Selbstverständlich  muss man nicht das ganze Buch durcharbeiten, wenn man nur in bestimmten Bereichen Probleme hat. Ich kann nur hoffen, dass dieses Buch bzw. Krisztián Tronkas Lehrwerk zur deutschen Phonetik und Phonologie in ganz Ungarn in der Deutschlehrerausbildung verwendet wird, und empfehle es allen, die tiefer in die Materie eindringen wollen und müssen.
Sie sollten also zuerst einen Spezialisten aufsuchen, damit die phonetischen Fehlleistungen erfasst werden. (Wie ich gesehen habe, bietet z.B. Krisztián Tronka auf seiner Website Hilfe an.) Wer es im Alleingang versuchen möchte, kann es mit SprechProbe versuchen. Er kann sich auch sonstige Audiotexte, z.B. Lehrwerksdialoge aussuchen, sie selbst sprechen und dabei aufnehmen, dann mit der Original-Audioversion vergleichen und diese imitierend den Vorgang solange wiederholen, bis er mit seiner Aussprache zufrieden ist. Die Aussprache einzelner Wörter kann man sich natürlich z. B. bei Duden-Online anhören, aber damit ist es ja meist nicht getan.
Zukünftigen Deutschlerner-Generationen möchte ich  vor allem kompetente, phonetisch gut ausgebildete Sprachlehrer wünschen.

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